Verwandte Projekte – Rekonstruktion der Gewölbedecke in der Schlosskapelle Dresden: Schalenkonstruktion aus unbewehrtem Mauerwerk

Obwohl der Entwurf nach statischen und konstruktiven Kriterien entwickelt wurde, weil es sich um einen Neubau handelt, entspricht das Erscheinungsbild auch auf der Oberseite gut den originalen spätgotischen Gewölben; hier Oberseite des Probegewölbes (David Wendland).
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In der Dresdner Schlosskapelle wurde 2010-2013 das Gewölbe nach dem Vorbild des originalen spätgotischen Schlingrippengewölbes aus dem 16. Jh. neu errichtet. Wie die historischen Vorbilder, besteht es aus einem Rippenwerk aus Sandstein und einer Gewölbeschale aus handgefertigten Ziegeln, der Entwurf interpretiert die Entwurfsverfahren in figurierten Gewölben der Spätgotik. Seit 450 Jahren war kein vergleichbares Gewölbe errichtet worden.
Die tragende Schalenkonstruktion aus unbewehrtem Mauerwerk spannt sich über das komplexe System der doppelt gekrümmten Rippenbögen. Entwurf, Entwicklung und Formfindung erfolgten in einer interdisziplinären Zusammenarbeit, in dem das ästhetische Erscheinungsbild, die Anforderungen an die Form durch die Gleichgewichtsbedingungen in der Schalenkonstruktion, die Formbarkeit von Mauerwerk zu gekrümmten Flächen mit regelgerechten Mauerverbänden, die Anschlussdetails des Mauerwerks zu den steinernen Rippen, und schließlich die geometrischen Anforderungen durch den freihändigen Gewölbebau einfließen mussten. Dieses Ziel wurde erreicht durch die Verknüpfung von CAD, numerischer Modellierung, Simulationen an physischen Modellen, sowie der Herstellung eines Prototyps.
Es war eine besondere Aufgabe, ein “historisches” Gewölbe von Grund auf neu zu entwerfen und zu bauen, statt ein bestehendes Bauwerk zu untersuchen, zu restaurieren und gegebenfalls zu ertüchtigen. Hierzu konnten nicht einfach Anregungen von historischen Beispielen kompiliert werden; vielmehr wurde die Konstruktion nach technologischen Gesichtspunkten entwickelt, um den bei einem Neubau gestellten Anforderungen genügen zu können: Ein Entwurfsprozess wurde entwickelt, der geeignet war, die charakteristischen Eigenschaften der originalen Bauwerke zu reproduzieren. Somit hat dieses Projekt auch einen wertvollen Beitrag zu unserem Wissen über die historische Bauweise geleistet. Die Reproduktion eines solch herausragenden Beispiels historischer Baukunst, bei der sowohl der Planungsprozess als auch die Bauweise der Originale nachvollzogen wurden, kann als Beitrag zur Baukultur und vor allem zur Wiedergewinnung und Erhaltung eines historischen technischen Wissens gesehen werden, das ein immaterielles kulturelles Erbe darstellt. Schließlich wurde mit diesem Bau auch ein anspruchsvolles Beispiel für eine geometrisch komplexe Schalenkonstruktion aus Mauerwerk realisiert – angesichts des Interesses für „freie Formen“ in der heutigen Architektur kann dieses Projekt auch die Aktualität historischer Bauweisen demonstrieren.

Wissenschaftliche Beratung mit Schwerpunkt Gewölbegeometrie und Mauerwerkskonstruktion, Mitarbeit in der Konzeption der Schalenkonstruktion, Modellsimulationen und Betreuung der Ausführung: David Wendland, Mitarbeit María José Ventas Sierra.

Projektdaten
Die Rekonstruktion des Gewölbes in der Dresdner Schlosskapelle, 2010-2013, war ein öffentliches Bauvorhaben, das durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), Dresden, realisiert wurde:
Architekt J.-U. Anwand (Anwand Architekten)
Tragverksplanung M. Kröning und U. Schröter (KUS Ingenieurbüro für Baustatik und Tragwerksplanung)
Wissenschaftliche Beratung S. Bürger und D. Wendland
Bauarchäologische und dokumentarische Untersuchungen H.-C. Walter (Dresden)
Bauausführung Dressler Bau GmbH under Leitung von T. Bauer
Belastungsversuche Prof. Dr.-Ing. M. Curbach, Otto-Mohr-Laboratorium der TU Dresden, basierend auf der Planung durch by KUS
Die Hypothese zur Figuration des originalen Gewölbes wurde von S. Bürger und J.-U. Anwand entwickelt.

Das Buch zum Projekt
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen (Hrsg.): Das Schlingrippengewölbe der Schlosskapelle Dresden. Altenburg: Verlag Klaus-Jürgen Kamprad, 2013.