Verwandte Projekte – Zellengewölbe

Form, Konstruktions- und Entwurfsprinzipien von spätgotischen Zellengewölben – „reverse engineering“ und experimentelle Archäologie

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und vom Staatsbetrieb Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen, 2009-2013

Experimente zum Nachbau der Zellengewölbe: Meist kann selbst dort, wo eine Richtungsänderung der Grate auch eine Richtungsänderung der Mauerschichten erzwingt, schon nach wenigen Lagen wieder ein kontinuierlicher Mauerwerksverband erreicht werden – letzterer ist ein wesentliches Konstruktionsprinzip der spätgotischen Zellengewölbe (David Wendland).
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Bei den Zellengewölben handelt es sich um einen besonderen Typus spätgotischer Gewölbe, der sich durch eine charakteristische, gefaltete Form der Gewölbefläche auszeichnet. Sie sind in einigen Fällen durch Rippen, meist aber durch rippenlose Grate strukturiert, zwischen denen die gemauerte Schale nach oben gefaltet ist und scharfkantige Grate und Kehlen bildet; so entstehen filigran wirkende Decken mit einem faszinierenden Spiel von Licht und Schatten. Aufgrund ihrer Form werden sie auch als „Diamantgewölbe“ bezeichnet.
Ihre Erfindung ist im Zusammenhang mit dem 1471 begonnenen, von Arnold von Westfalen geplanten Bau der Albrechtsburg in Meißen zu sehen. In der Folge erfreute sich diese Gewölbeform zeitweise großer Beliebtheit und breitete sich bis ins 16. Jh. schließlich über ein Gebiet aus, das große Teile Mittel- und Osteuropas umfasst. Über die Motive für die Erfindung und die Gründe für die Beliebtheit dieser Gewölbeform geben allerdings die zeitgenössischen Quellen ebenso wenig Auskunft wir über ihre Bauweise.
Im Projekt wurden die Konstruktions- und Entwurfsprinzipien dieser Gewölbe an Beispielen untersucht, und es gelang, ihren Herstellungsprozess zu rekonstruieren. Dies erfolgte anhand von geometrischen Analysen der Form und Mauerwerkstextur von untersuchten Gewölben, sowie in praktischen Experimenten, bei denen Teile dieser Gewölbe in voller Größe und mit originalgetreuen Materialien nachgebaut wurden.
Die so gewonnenen Erkenntnisse zur Bauweise der Zellengewölbe können nun als Grundlage für die Erhaltung und Restaurierung dienen; darüber hinaus lässt sich hierdurch auch die eigentümliche Form dieser Gewölbe verstehen. Zudem lassen sich Rückschlüsse auf die Bauorganisation, sowie auf den Planungsprozess und die dabei zugrunde liegenden Kriterien ziehen. Die geometrischen Eigenschaften der Gewölbe ergeben Aufschlüsse darüber, was geplant wurde und was der man der Handschrift der ausführenden Maurer überließ, und wie die Information vom Entwurf bis zur Herstellung übermittelt wurde.
Anhand der Analysen, Experimente und einer neu erschlossenen Quelle konnte auch das Lehrgerüst für den Bau von Zellengewölben rekonstruiert werden. Wie die Schlussfolgerungen zu den Entwurfsprinzipien ist auch diese Lehrgerüstkonstruktion von allgemeiner Gültigkeit für den spätgotischen Gewölbebau.
Das Lehrgerüst mit einem nachgestellten Stück Gewölbemauerwerk in voller Größe, sowie mit Modellen im Maßstab 1:20, die verschiedene Stadien der Entstehung des Gewölbes veranschaulichen, werden in der Dauerausstellung auf der Albrechtsburg Meißen präsentiert und vermitteln auch der breiten Öffentlichkeit, wie diese Gewölbe geplant und gebaut wurden und wie ihr Erscheinungsbild dadurch mit geprägt ist; dort wird auch ein Video mit den Experimenten gezeigt.

 

Team
David Wendland, Christian Mai, María José Ventas Sierra.
Durchführung der praktischen Experimente in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Handwerk und Denkmalpflege Trebsen: Uwe Bielefeld, Bernd Bubnick, Hans-A. Gasch, Robert Bialek, Jörg Frenkel, und Teilnehmer der Kurse für Restauratoren am Bildungszentrum Trebsen.

Projektdaten
Antragsteller: Prof. Dr. Bruno Klein
Konzeption und Projektleitung: Dr.-Ing. David Wendland
Projektträger: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (KL 590/4-1); Staatsbetrieb Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gemeinnützige GmbH
Laufzeit: 2009 – 2013
Host Institution: Technische Universität Dresden, Institut für Kunst- und Musikwissenschaft

Publikationen
D. Wendland: „Cell vaults – Research on Construction and Design Principles of a Unique Late-Mediaeval Vault Typology.“ In Proceedings of the Third International Congress on Construction History, Cottbus 2009, Bd. 3 S. 1501-08.
D. Wendland: „Wölbkunst der Gotik: Untersuchungen zu den Konstruktions- und Entwurfsprinzipien der spätgotischen ‚Zellengewölbe‘.“ In G. Zumpe (Hg.), George-Bähr-Forum Jahrbuch 2009, S. 160-167. Dresden 2010.
D. Wendland: „Befunde und Experimente zur Konstruktion von spätgotischen Zellengewölben.“ In G. Zumpe (Hg.), George-Bähr-Forum Jahrbuch 2010/11, S. 134-139. Dresden 2012.
D. Wendland: „Untersuchungen zu den Entwurfs- und Konstruktionsprinzipien der spätgotischen Zellengewölbe: Ein neuer Ansatz in der Verknüpfung von geometrischen Analysen am Befund und experimenteller Archäologie.“ In Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen Jahrbuch 2010/2011, S. 23-33. Dresden: Sandstein Verlag, 2012.
D. Wendland: „Form, Konstruktions- und Entwurfsprinzipien von spätgotischen Zellengewölben – ‚reverse engineering‘ und experimentelle Archäologie.“ In Koldewey-Gesellschaft, Bericht über die 46. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung Konstanz 2010, Hg. K. Tragbar, S. 255-266. Dresden: Thelem, 2012.